Yorkshire Kuh auf der Weide

Photo: Paul Stevenson, flickr.com

Ist Milch gesund oder ungesund?

Für eine gesunde Ernährung empfiehlt die Schweizerische Gesellschaft für Ernährung (SGE) 3 Portionen Milch und Milchprodukte pro Tag. Milch hat als Nahrungsmittel bis heute einen guten Ruf. Sie ist reich an Calcium und Eisen, enthält verschiedene B-Vitamine und Proteine, die für den Körper lebensnotwendig sind. Auch in den traditionellen Schriften des Yoga und Ayurveda wird Milch als ideales Nahrungsmittel gepriesen, denn beide Praktiken haben sich innerhalb einer ausgeprägten Milch- und Viehzüchterkultur entwickelt.

Doch ist Milch wirklich gesund? Der Wissenschaftsjournalist Bas Kast schreibt dazu in seinem «Ernährungskompass»: «Milch ist ein komplizierter Saft, die Befunde dazu sind widersprüchlich, zu einer sicheren Einschätzung zu gelangen ist schwierig.».

Finanziell geförderte Studien spiegeln häufig den Standpunkt des Sponsors wider

Die Schwierigkeit einer gesundheitlichen Einschätzung von Milch ergibt sich vor allem aus der Tatsache, dass zahlreiche wissenschaftliche Studien über die gesundheitsfördernde Wirkung von Milch, finanziell von der Milchindustrie unterstützt wurden. Zwar geben die untersuchenden Wissenschaftler an, dass die Auftraggeber keinen Einfluss auf die Ausführung und Interpretation der Studien hatten. Trotzdem konnte nachgewiesen werden, dass Ergebnisse finanziell geförderter Studien mit einer vier- bis achtfachen Chance positiv für den Sponsor ausfallen. Es gibt also bei industriell unterstützten Studien eine starke Verzerrung der Ergebnisse, eine sogenannte «sponsorship bias», was bedeutet, dass den positiven Ergebnissen solcher Studien nicht vertraut werden kann.

Milch ist vor allem für das Wachstum junger Tiere und Menschen gemacht

Tatsache ist aber auch, dass Milch an sich kein schlechtes Nahrungsmittel ist. Zumindest, wenn es von denen getrunken wird, für die es ursprünglich gedacht war: von jungen Tieren und Menschen, die in relativ kurzer Zeit eine Unmenge an Körpermasse zulegen müssen. Milch ist eine Wachstumsessenz par excellence, die alle wichtigen Substanzen enthält, um die Körpersubstanz zügig und optimal wachsen zu lassen.

Sind wir jedoch ausgewachsen, dann wirkt sich diese Wachstumsessenz nicht mehr in gleichem Masse förderlich auf den Körper aus. In der Auswertung zweier schwedischer Kohortenstudien haben Wissenschaftler – ohne Unterstützung der Milchindustrie – einen Zusammenhang zwischen regelmässigem Milchkonsum und einer vorzeitigen Sterblichkeit gefunden.

Ein hoher Milchkonsum kann das Risiko für bestimmte Erkrankungen und Knochenbrüche erhöhen

An diesen grossangelegten Studien haben 61 433 Frauen und 45 339 Männer teilgenommen und Angaben zu ihrem Ernährungsverhalten und zu ihrem Lebensstil gemacht. Ein Ergebnis der Auswertung war, dass Menschen, die 2,5 oder mehr Portionen Milch pro Tag tranken, ein um 32% erhöhtes allgemeines Sterblichkeitsrisiko hatten, gegenüber Menschen, die weniger als eine Portion Milch pro Woche tranken. Die erhöhte Sterblichkeit geht laut der Analysen unter anderem auch auf eine erhöhte Rate an Herz-Kreislauferkrankungen und bestimmte Krebsarten zurück; wobei Frauen in grösserem Masse betroffen sind als Männer.

Auch für Knochenbrüche im allgemeinen und Brüche im Hüftbereich, liegt die Rate bei den Frauen signifikant höher, die täglich drei oder mehr Portionen Milch getrunken haben. Wer mehr Milch trinkt, kann also nicht damit rechnen, sich weniger leicht die Knochen zu brechen, sondern erhöht eventuell sogar sein Risiko für Knochenbrüche; wie die Auswertungen verschiedener Kohorten-Studien vermuten lassen.

Die Wissenschaftler erklären diese Ergebnisse vor allem dadurch, dass Milch im Körper entzündliche Reaktionen auslöst, die eine Verbindung zum Verlust von Knochenmasse und der Entstehung von Osteoporose haben könnten. Diese Reaktionen könnten durch einen hohen Gehalt von D-Galaktose (Schleimzucker) in der Milch erklärt werden. In Versuchen mit Mäusen, Ratten und Eintagsfliegen wurde offenbar festgestellt, dass D-Galaktose den Alterungsprozess beschleunigt, indem sie den oxidativen Stress im Körper erhöht und Entzündungsreaktionen anstösst. Die Fragen, die sich aus den Reaktionen des Körpers auf Milch ergeben und die Frage, ob die Ergebnisse der Tierversuche überhaupt auf Menschen übertragbar sind, sind jedoch noch keinesfalls geklärt und lassen deshalb keine definitiven Antworten zu.

Fermentierte Milchprodukte wirken sich positiv auf die Gesundheit aus

Die negativen Auswirkungen der Milch kehren sich bei fermentierten Milchprodukten um. Wer gerne Joghurt und Käse isst, lebt anscheinend gesünder und länger. Auch hier sind die genauen Zusammenhänge noch ein Rätsel. Vermutungen lauten, dass sich die Milchsäurebakterien positiv auf die Zusammensetzung der Darmflora auswirken und so die Gesundheit fördern. In den letzten Jahren wird das Mikrobiom des Darms immer genauer untersucht und aus diesen Untersuchungen werden sich in Zukunft vielleicht die genauen Zusammenhänge zwischen Darmflora und Gesundheit besser erklären lassen.

Fazit

Wer keine Milch mag oder sie nicht so gut verträgt (Stichwort: Laktose-Intoleranz), kann guten Gewissens darauf verzichten. Der Körper von Erwachsenen ist nicht auf Milch angewiesen – auch nicht, um die Knochen mit Calcium zu versorgen. Fermentierte Milchprodukte wie Joghurt und Käse lassen sich besser verdauen und wirken sich positiver auf den Körper aus. Wer jedoch gerne Milch trinkt, dem tut es wahrscheinlich gut, den Konsum auf ein bis zwei Gläser pro Tag zu beschränken; wobei Biomilch aus gesundheitlichen und ökologischen Gründen wahrscheinlich die beste Wahl ist.

Doch auch wer ganz auf Milch verzichten möchte oder sich sogar vegan ernährt, muss nicht auf natürliche Calcium-Quellen verzichten. Calcium findet sich in Vollkornprodukten wie Vollkornbrot oder Haferflocken, in Mandeln, Nüssen und Gemüse, wie Grünkohl, Brokkoli, Bärlauch, Weisskohl, Sojabohnen, Spinat, Mangold oder Rucola.


Quellen

Francesco Asnicar , et al. - Microbiome connections with host metabolism and habitual diet from 1,098 deeply phenotyped individuals; Nat Med, 2021 Feb;27(2):321-332; doi: 10.1038/s41591-020-01183-8

John A. Kani, et al. - A meta-analysis of milk intake and fracture risk: low utility for case finding; Osteoporosis International, Vol. 16; pages 799-804; 2005; doi: 10.1038/s41591-020-01183-8

Bas Kast - Der Ernährungskompass. Das Fazit aller wissenschaftlichen Studien zum Thema Ernährung; C. Bertelsmann Verlag, 2018

Karl Michaëlsson et al. - Milk intake and risk of mortality and fractures in women and men: cohort studies; BMJ 2014; 349 (Published 28 October 2014); https://doi.org/10.1136/bmj.g6015

Schweizerische Gesellschaft für Ernährung (SGE) - Milch und Milchprodukte; https://www.sge-ssn.ch/ich-und-du/rund-um-lebensmittel/lebensmittelgruppen/milch-und-milchprodukte/

Gianluca Tognon, et al. - Nonfermented milk and other dairy products: associations with all-cause mortality; The American Journal of Clinical Nutrition, Volume 105, Issue 6, June 2017, Pages 1502–1511, https://doi.org/10.3945/ajcn.116.140798

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